Liebe Freunde der Bremer Bio-Manufaktur,
„Warum Bio?“, also: „warum Bioprodukte wie etwa die der ‚Bremer Bio-Manufaktur‘ kaufen?“, diese Frage wird uns sicher in diesem Blog immer wieder beschäftigen, denn sie betrifft ja nicht nur unsere (potentiellen) Kunden, sondern auch uns selbst, die wir diese Produkte herstellen. Und natürlich wird sie in einem einzigen Post nicht zu beantworten sein.
Ich hoffe hier in Zukunft auf verschiedene Aspekte dieser Fragestellung näher eingehen zu können. Zum Teil über Gastbeiträge zu Themen, die ich selbst nicht ausreichend überblicken oder zumindest nicht so informativ darstellen kann, wie unsere Gastautoren. Zum Teil mit eigenen Beiträgen über soziologische (z.B. „Die Macht des Konsumenten“) oder philosophische (z.B. „Tierethik“) Aspekte des Themas.
Einen allgemeinen und informativen Einstieg zum Thema Öko-Landbau und Bio-Lebensmittel, aber auch zu unserer Eingangsfrage, bietet die Veröffentlichung „28 Antworten zum Stand des Wissens rund um Öko-Landbau und Bio-Lebensmittel“ des „Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft“, die frei im Internet zugänglich ist: http://www.boelw.de/fileadmin/alf/28-bioargumente.pdf.
Ich will in diesem Eingangspost aber einmal zeigen, dass man die Frage auch umkehren kann in „Warum nicht Bio?“, und dass diese Frage mindestens genauso sinnvoll ist, wie die Frage „Warum Bio?“:
Erinnern Sie sich an den Song „The Big Yellow Taxi“? Von Joni Mitchell geschrieben und im Original auch gesungen. Inzwischen häufig gecovert, die letzte Version, an die ich mich erinnere, von den Counting Crows. In diesem Song kommt die folgende Strophe vor:
Hey farmer farmer
Put away the DDT
I don’t care about spots on my apples
Leave me the birds and the bees
Please!
Klingt ziemlich nach Öko. “Tree-huggerish“ würden die Amerikaner vielleicht sagen. Werd‘ erwachsen Mädchen, wir müssen hier eine Wirtschaft am Laufen halten. DDT war 1970, als Joni Mitchell den Song schrieb, das weltweit meistverwendete Insektizid.
Der Witz an der Sache: Als die Counting Crows den Song gecovert haben, war die Nutzung von DDT längst überall in der Landwirtschaft verboten. Die Bundesrepublik z.B. erließ 1972 extra das „Gesetz über den Verkehr mit DDT“. Denn es hatte sich herausgestellt, dass das Zeug langfristig giftig war – und dass es sehr langfristig im Körper abgelagert wird.
1994 wurde das Gesetz in andere Verordnungen überführt, da inzwischen eine Fülle von weiteren chemikaliengesetzlichen Regelungen dazugekommen war. Das DDT-Gesetz war nur der Anfang. Das alles hat nichts mit „Bio“ zu tun. Es ist die ganz normale Gesetzgebung, von der wir doch erwarten, dass sie Gefahrenstoffe reguliert, Grenzwerte setzt, Gesundheitsrisiken identifiziert.
Diese Erwartung entspringt gar keinen moralischen Erwägungen sondern sie ist tief verankert in unserer Alltagsrationalität, die uns nach rechts und links sehen lässt, bevor wir eine Straße überqueren, die uns den sicheren Stand einer Leiter überprüfen lässt, bevor wir draufklettern, die uns das Licht einschalten lässt, wenn wir im Dunkeln Fahrrad fahren.
Interessanterweise tun wir das meiste davon ganz ohne gesetzliche Vorschrift – weil es eben sinnvoll ist, Schaden von uns abzuwenden.
Der Grund, der 1972 den Bundestag bewog, das DDT-Gesetz zu verabschieden und seither viele ähnliche Regelungen, ist derselbe wie der zum Kauf von Bio-Lebensmitteln: Man minimiert die Gesundheitsrisiken. Wer findet, der Konsum von Bio-Lebensmitteln sei ideologischer Unsinn, muss das auch vom DDT-Gesetz behaupten, von gesetzlichen Grenzwerten für Asbest und vom Fahrradfahren ohne Licht bei Dunkelheit.
Sicher gibt es noch weitere Gründe, die für Bio-Lebensmittel sprechen, einige davon auch moralische, und ich hoffe im Laufe dieses Blogs zeigen zu können, dass auch diese keineswegs ideologischer Unsinn sind. Aber was ich hier zeigen wollte ist, dass wir diese Gründe gar nicht brauchen.
Denn Bio-Lebensmittel sind ja nichts anderes als Lebensmittel, die unter Beachtung strengerer Grenzwerte und Beschränkungen hergestellt wurden, als die sogenannten konventionell hergestellten.
Pestizidbelastungen, die das Hormonsystem beeinflussen, Krebs, Parkinson und Fruchtbarkeitsstörungen hervorrufen können; Zusatzstoffe, die Hypersensitivitäten verursachen; großflächiger Antibiotikaeinsatz, der multiresistente Keime entstehen lässt und langfristig auch zu Antibiotikaresistenzen beim Menschen führen kann; all diese Risiken werden bei Bio-Lebensmitteln vermieden oder minimiert.
Das ist alles kein Gerücht, das von ideologisch verblendeten Bio-Lobbyisten in die Welt gesetzt wurde, sondern es ist ziemlich gut nachweisbar. Nicht schlechter zumindest als die Nachweise, die damals zum DDT-Gesetz geführt haben. Insbesondere die Kombinationswirkungen von Schadstoffen, die in der konventionellen Landwirtschaft eingesetzt werden dürfen, sind überhaupt nicht zu kontrollieren (wir werden dazu mal einen Expertenbeitrag posten).
Nun ist klar, dass wir nicht alles tun, nur weil wir einen guten Grund dafür haben. Alkohol ist ein Zellgift und es gibt einen Haufen guter Gründe keinen zu trinken. Ich tu es trotzdem. Raucher rauchen (mehr muss man dazu nicht sagen). Und dann gibt es noch all die Bergsteiger, Rennfahrer, Fallschirmspringer. Und auch wir haben gute Gründe: Wir genießen das Leben!
Die Einstellung „Lieber ein kürzeres Leben, als eines voller verhärmten Verzichts“, ist, finde ich, vernünftig und nachvollziehbar. Ich würde mich weigern, Bio-Produkte zu essen, wenn ich dafür Zeit meines Lebens auf trockenem Grünkern rumbeißen müsste. Das ist ja aber nicht der Fall. Aus Bio-Produkten kann man ebenso Reichhaltiges, Geschmackvolles, Sinnenbetörendes herstellen, wie aus konventionellen Produkten. Wir von der Bremer Bio-Manufaktur treten den Beweis an.
Komischerweise hält sich das Öko-Askese-Image von Bio-Lebensmitteln ziemlich hartnäckig. Irgendwie ist es im gesellschaftlichen Bewusstsein fest verankert, obwohl es einen feststellbaren Zusammenhang etwa zwischen Antibiotikagrenzwerten und Brottrunkkonsum meines Wissens nicht gibt. Aber wenn Tim Mälzer in einer Kochsendung einen Möhrenkuchen backt (05.10.’13; ARD), dann sagt er Sätze wie „Klingt fast ein bisschen bio“, wenn er die Möhren raspelt (dabei waren‘s wahrscheinlich gar keine Bio-Möhren) und die Zuschauer wissen genau, was er meint: eine Ideologie.
Ich möchte einen Vorschlag machen. Wem der Bio-Begriff ideologisch zu aufgeladen ist, der rede doch von der „Verordnung (EG)Nr. 834/2007“. Er könnte z.B. sagen „Ich kaufe nur noch 834/2007-Lebensmittel“. Natürlich sagt das niemand, weil es umständlich und unverständlich ist. Aber man könnte es mitdenken, wenn man von Bio-Lebensmitteln spricht, denn das ist es, was sie ausmacht: dass sie nach gewissen gesetzlichen Kriterien produziert wurden. Und nicht nach ideologischen.